Na denn:
Nachdem ich die zwei Wochenenden davor freihatte, kam mit dem Wochenende 6./7. Oktober ein erster Kraftakt auf uns zu: das Erntedankwochenende mit Kinderbibelnacht, Familiengottesdienst, großem Gemeindeessen und danach noch einem Konzert. Die Vorbereitungen dafür fingen schon weit vorher an, für mich ca. eineinhalb Wochen, als ich mit Jacques, langjähriger treuer Gemeindekoch und super netter Kerl, für einen Großeinkauf für die Gemeinde zu Metro fuhr, einem riesigen Gastronomiesupermarkt. Von den Dimensionen war ich richtig beeindruckt - wir haben dort gute 5 Stunden verbracht...
Bis zu dem Wochenende hatte ich dann (mit jetzt verglichen) eigentlich noch eine recht entspannte Zeit, es wurde auch hier in Paris nochmal richtig warm, sodass man nachts noch lange draußen sitzen konnte. Dazwischen lag zudem noch Lukas' Geburtstag, inklusive der bedeutenden Erkenntnis meinerseits, dass, wenn man abends zuvor bis spät in die Nacht und mit doch ganz beachtlichen Mengen des auch in der WG allseits recht beliebten goldenen Gerstensafts einen Geburtstag intensiv zelebriert hat, ein Glas Sekt anlässlich desselben Geburtstags am Morgen danach in der Dienstbesprechung der körperlichen Verfassung nicht unbedingt gut tut. Eine Tasse Kaffee war da dann schon deutlich willkommener und ich konnte auch diesen Tag ohne größere Ausfälle überstehen.
Das Wochenende selber war dann wirklich heftig, da könnte ich bestimmt einen eigenen Eintrag drüber schreiben - von daher ganz gut, dass das schon so lange her ist und ich mich nicht mehr an alles erinnere! Zusammengefasst kann man sagen, dass ich Samstag und Sonntag eigentlich durchgehend gearbeitet habe: Einkäufe (absolutes Highlight: mit einem Papiersack mit 20 noch warmen und sehr wohlriechenden Baguettes durch das frühmorgendliche Paris laufen, hach, ich liebe meinen Job), Vorbereitung des Saals für das Essen, Helfen in der Küche und bei der Essensausgabe, dazu dauernde Präsenz und Ansprechbarkeit als Mädchen für alles uuund noch vieles mehr.
Am Ende war ich dann tatsächlich auch ziemlich am Ende - muss aber sagen, das ganze hatte auch wirklich Spaß gemacht. Und Jacques' Essen... und der Wein...
Dieses Wochenende war wohl auch so ein Punkt, ab dem ich mich wirklich als ein fester Bestandteil dieser Einrichtung gefühlt habe - man merkt, man wird gebraucht, man stellt zusammen was auf die Beine, und was am Anfang noch neu war, wird immer mehr zur Routine.
Zwei Wochen später war ausnahmsweise mal wieder viel los in der Kirche (hahahaaaa): Es sollte ein sehr politischer Sonntag werden, denn der deutsche Botschafter in Paris, Dr. Meyer-Landrut, war eingeladen, im Gottesdienst eine Gastpredigt zu halten - zum Auftakt einer Predigtreihe unter dem Psalmwort "Suchet den Frieden und jaget ihm nach" anlässlich des nahenden 100jährigen Jahrestags des Ende des 1. Weltkriegs am 11. November. Tatsächlich muss ich sagen, dass ich von dessen Auftritt ein kleines bisschen enttäuscht war: Am Anfang wirkte es noch so, als hätte der gute Mann wirklich einige interessante Dinge zu sagen - nach nur drei Minuten dieser interessanten Dinge war er aber fertig und setzte sich wieder hin. Da freut man sich einmal auf eine Predigt und dann sowas! Dafür war in diesem Gottesdienst dann umso mehr Gelegenheit, erstmals dem Cellospiel eines gewissen Küsters zu lauschen...
Der Küster, ach nein, ich meine, der Botschafter blieb aber nicht die einzige bedeutende Persönlichkeit, die sich an diesem Sonntag in die rue Blanche aufgemacht hatten: Direkt im Anschluss an den Gottesdienst (es blieb zum Glück gerade noch Zeit für ein paar Waffeln und eine Tasse Kaffee) kam die deutsch-französische Journalistin Beate Klarsfeld zum sog. "Sonn-Talk", um von ihrem Leben und Wirken zu erzählen. Dies hatte sie voll und ganz der Aufarbeitung deutscher Nazi-Vergangenheit und dem Aufspüren und Vor-Gericht-Stellen von bis dahin unbestraften Nazi-Verbrechern gewidmet - medienwirksamer Höhepunkt war dabei die aufsehenerregende Ohrfeige gegen Bundeskanzler Kiesinger. Diese Art Talkrunde war sehr spannend und mündete in eine kontroverse, politische Diskussion mit Wortmeldungen quer durch die anwesende Gemeinde.
Anfang Dezember wurde, wie in dieser Runde gefordert, ein Positionspapier bzw. eine Art Aufruf vorgestellt, mit dem sich die Gemeinde klar gegen Rechtsextremismus und Demokratiefeindlichkeit und für Offenheit und Toleranz ausspricht, welches schließlich, versehen mit unzähligen Unterschriften, an die Präsidenten des deutschen Bundestags und der französischen Assemblée Générale versendet wurde.
Danach kamen die Schulferien, und auch die liebe Corinne (zur Erinnerung: die Sekretärin) nahm sich mal verdientermaßen ein paar Tage frei - das Büro blieb aber geöffnet, weshalb ich eine Woche lang alleine dort die Stellung halten musste. Das ständig klingelnde Telefon bot mir netterweise die Gelegenheit, meine französischen Hör- und Verständnisfähigkeiten auszubauen, und auch sonst wurde mir nicht langweilig, denn da warteteten rund 550 ganz frische Gemeindebriefe darauf, von mir in Briefumschläge gesteckt zu werden, welche dann wiederum noch gestempelt, etikettiert und zur Post gebracht werden wollten. Ich muss sagen, ich hab schon schönere Sachen gearbeitet, aber am Ende war ich dann schon stolz auf meine maschinenhafte Leistung.
Was war sonst noch los: der liebe Vinzenz aus Österreich, den ich vom Seminar kannte, kam mich gleich mehrmals besuchen, ich war in einigen Konzerten, in der Oper, es gab ein paar nette Partys inner- und außerhalb der WG, lecker selbstgemachtes Essen (z.B. Kürbissuppe!!!), Haarschnitt by Leo für Mitbewohner Moritz, noch mehr Essen, dazu auch Trinken, und überhaupt sehr viel Spaß und Freude in dieser immer tolleren Stadt. Und habe ich schon Essen erwähnt? Aber keine Zeit für Blogs. Egal.
November folgt hoffentlich in Kürze, bisous !
Fotos: verschiedenste Eindrücke aus WG, Gemeinde und dem herbstlichen und wunderschönen Paris
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