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  • AutorenbildLeo Franz

Paris im November

So ging der Oktober dahin, der November kam, und mit ihm die nächsten Brocken (nach einem zwar nicht freien, aber dafür relativ normalen und mit nur einer Taufe vergleichsweise ruhigen Wochenende):

Zufälligerweise hatte ich mir für meinen Freiwilligendienst genau das Jahr ausgesucht, in das auch der 100. Jahrestag des Endes des 1. Weltkriegs fallen sollte, der im Bewusstsein der Franzosen tatsächlich sehr viel präsenter ist als z.B. der zweite.

Deswegen waren auch die ganzen offiziellen Feierlichkeiten und Zeremonien mit den allerhöchsten der hohen Tiere dieser Welt nirgends anders als hier in Paris - und wiederum deswegen wollte natürlich auch die Deutsche Evangelische Kirche ebendieser besonderen Stadt sich nicht lumpen lassen und veranstaltete ihrerseits ein besonderes Event:


Am Abend des Jubiläums, am Samstag, den 10.11., versammelten sich verschiedenste Pariser Gemeinden unterschiedlicher Konfessionen und Religionen sowie weitere Gruppen in der Christuskirche, um im Rahmen eines interreligiösen und internationalen Friedensgebets und einer Nachtwache des Kriegs und des Friedens zu gedenken - dazu außerdem eine gute Gelegenheit, sich zu begegnen oder neu kennenzulernen und auszutauschen. Zu den Gruppen zählten eine jüdische Gemeinde, eine muslimische, eine amerikanisch-christliche, die deutsche katholische Gemeinde, mehrere Pariser evangelische und katholische Gemeinden und natürlich unsere eigene. Dazu kamen Freiwillige der Organisation meines Mitbewohners Moritz (ASF) sowie eine Gruppe von deutschen Au Pairs und den zwei Freiwilligen, die sich regelmäßig um diese Gruppe kümmern, nämlich Tobi und ich.

Eine sehr bunte Mischung also - und ein sehr bunter Abend, alles andere als grau und trist, sondern offen, herzlich und optimistisch, ein Fest für den Frieden!

Der Ablauf gestaltete sich kurz zusammengefasst in etwa so, dass jede Gruppe circa 15 Minuten lang sich und ihren Beitrag präsentieren konnten, darunter Vorträge, Gedichte, Gesänge, kleine Inszenierungen und vieles mehr, dazwischen Pausen mit Buffet, zum Begegnen und Unterhalten.

Mit den Au Pairs hatten wir uns bespielsweise in der Woche zuvor beim Au Pair Treff aus gegebenem Anlass mit dem Thema "Krieg und Frieden" beschäftigt, aktuelle Kriegsschauplätze angesehen, Ursachen und Folgen von gewaltsamen Konflikten diskutiert, uns schließlich überlegt, welche Werte eigentlich uns wichtig sind und was man dafür tun kann, diese Werte (Menschlichkeit, Toleranz, Offenheit, Nächstenliebe, Ehrlichkeit usw.) zu leben und vielleicht auch insgesamt in unserer Gesellschaft wieder etwas mehr in den Mittelpunkt zu rücken. Für das Friedensgebet präsentierten wir dann die "Ergebnisse" dieser Diskussionsrunde.

Außerdem gab es selbstverständlich jede Menge gemeinsamer Lieder und immer wieder Musik zum Innehalten - alles arrangiert und ausgeführt von unserem musikalischen Küster, wie ich mit schon ein bisschen Stolz erzählen darf. Da war zwar einiges sehr spontan und auf Zuruf (die meisten Lieder bekam ich kurz vor Beginn), aber alles hat im Großen und Ganzen ziemlich gut geklappt, und nach 3 Stunden höchster Konzentration war ich dann auch ziemlich am Ende meiner Kräfte. Gearbeitet hatte ich eigentlich schon den ganzen Tag, erst noch die Vorbereitungen mit den Au Pairs, dann Aufbauen für das Buffet in der Kirche, und nach dem ganzen Akt hieß es noch Aufräumen... aber mit genügend Leuten hatten wir das recht schnell (also bis um 1 Uhr nachts) erledigt! War wieder einmal sehr anstrengend, aber hat mir wieder einmal auch große Freude bereitet, denn es war ein durchaus positiver Abend in einer großen, freundlichen Gemeinschaft und wie schon gesagt: ein Fest für den Frieden, umso mehr angebracht in einem schwierigen politischen Klima wie heute.


Nun könnte man meinen, nach einem solchen 15-Stunden-Arbeitstag wie diesem würde ich dafür den Sonntag freibekommen - aber nichts da, nicht in der deutschen evangelischen Kirche Paris! Okay, das hört sich ein bisschen zu sehr nach harter Kritik an - da war halt einfach nun mal sehr viel lo: Dafür habe ich zum Beispiel jetzt gerade, wo ich das hier schreibe (Ende Januar), ziemlich wenig zu tun (was diesem Blog nur zugute kommt!). Immerhin den Gottesdienst am Sonntagvormittag übernahm Lukas, ich konnte also ausschlafen, und war dann eigentlich auch wieder ganz gut bei Kräften, also so schlimm war's gar nicht. Wollte nur ein bisschen jammern. Mimimi.


Was dann noch anstand, war einfach der unglücklichen zeitlichen Kollision des Jahrestags des Weltkriegsendes mit dem St.-Martin-Fest geschuldet - gut 30 Kinder kamen mit ihren Laternen und Eltern, die alle bespaßt werden wollten (zumindest bei den Laternen bedeutete das aber keinen allzu großen Aufwand), und so setzte ich mich einmal mehr ans Klavier und gab in der Kirche ein paar Martinslieder zum Besten. Im Anschluss kam der Auftritt der Laternen, die mit ihren Kindern und deren Eltern ein bisschen durch Paris zogen, während wiederum ich mich in der Küche an ein weiteres Meisterwerk machte: den Kinderpunsch! Nach Rezept von meinem Freund Jacques, weshalb eigentlich gar nix schiefgehen konnte. Muss sagen, der gelang mir auch wirklich gut, weshalb ich sehr glücklich war, dass die erschöpften Laternenträger dennoch ein bisschen was übrig ließen, sodass die WG am Abend auch noch von meinem Trank profitieren konnte (selbstverständlich nach Hinzufügen eines angemessenen Schusses Rum). Zu dem Punsch gab es als Gänse verkleidete Mandarinen (der 11.11. ist ja seit jeher auch der Beginn des Karnevals, deswegen die Verkleidung, oder so ähnlich) und traditionelle Weckmänner.


Auch wenn mir alles sehr viel Spaß machte, merkte ich schon, dass es langsam ein bisschen viel für mich wurde, da die Veranstaltungen ja nicht nur Arbeitszeit am Wochenende in Anspruch nahmen, sondern auch einige Vorbereitungen unter der Woche nötig waren, zusätzlich zum normalen Alltagswahnsinn. MIMIMI.


So kam der Geburtstag meines geschätzten Mitbewohners Moritz, dem ich auch langsam aber sicher zumindest die Grundlagen des Abwaschens und Küche-Sauberhaltens indoktriniert hatte, als eine ganz willkommene Abwechslung, wenn auch sicherlich nicht als Ruhepause. Der alte Sack wurde übrigens schon 20, weswegen er sich und seinen Gästen etwas besonderes gönnte: eine nächtliche Bootsfahrt auf der Seine. Ich bin normalerweise eher nicht für solchen "Touri-Mist" (Zitat) zu haben, aber wenn ich schon mal eingeladen wurde, dann nahm ich auch sehr gerne daran teil - außerdem hat man mit Mope (das ist sein Künstlername, den ich ihn bisweilen aber immer wieder gerne mal etwas ins Lächerliche ziehe, wenn ich ihn beispielsweise Moppi oder Mopperl nenne) sowieso immer eine fetzn Gaudi.

Die Fahrt war wirklich ganz schön (Paris ist einfach geil), nur das Programm danach (die Fahrt endete um 11) war offenbar nicht mit der allergrößten Sorgfalt geplant worden, bzw. einfach gar nicht. So landeten wir schließlich in einem völlig überteuerten Lokal in der Nähe vom Eiffelturm, wo uns das Boot ausgespuckt hatte. Da war dann eher kein großer Alkoholkonsum drin (vielleicht auch nicht so verkehrt), aber Spaß hatten wir trotzdem, und ich hatte mir unterwegs noch das letzte Stück Pizza eines gerade schließenden Standes erbettelt und war somit auch super happy. Und von dem Spülmittel und den Spülschwämmen, die wir ihm geschenkt haben, war Moppi naürlich hellauf begeistert!


Aaaaaaam Wochenende darauf musste ich erneut arbeiten, und, der aufmerksame Leser ahnt es sicherlich schon, mal wieder war es kein normales Wochenende mit einfach nur Sonntagsgottesdienst, Kirchencafé und Ende. Nein, nachdem die jüngsten Glieder der Gemeinde ja am Sonntag vorher auf ihre Kosten kamen, waren diesmal die schon etwas älteren jungen Glieder dran - die Konfirmanden. Die sollten in der Kirche übernachten und am Abend davor natürlich beschäftigt werden: Ich fing am frühen Nachmittag an mit Einkaufen, Aufbauen und Kopieren, begleitete, als es losging, dann zunächst ein paar Lieder, kümmerte mich um eine Gruppe bei einer Gruppenarbeit zu Bibeltexten, lockerte die Gemüter und die Gliedmaßen mit einem Gruppenspielklassiker aus meiner Jugendarbeitsheimat (liebe Grüße an der Stelle an die Ortenburger Gemeinde und die Passauer Dekanatsjugend!!) und sorgte schließlich mit ein paar der Jugendlichen dafür, dass auch etwas Ordentliches zu essen auf den Tisch kam. Fühle mich auch in der Gemeindeküche inzwischen sehr wohl, die ist ebenso Teil meines Arbeits(be)reichs hier in der Kirche. Danach ging's für mich entspannter weiter: die Konfis durften aufräumen, dann gab's einen Film, die Nachtwanderung ließ ich aus, um den Rest in der Küche sauberzumachen, und gegen Mitternacht wurde es ruhig, die Konfis legten sich mit dem Pfarrer und Kerstin zum Schlafen in die Kirche, während ich hochgehen durfte, in mein geliebtes Bett. Allerdings nicht allzu lange, denn wer soll denn sonst am Morgen Baguettes holen und Frühstück machen? Da haben mir die ersten wachen Konfis aber freundlicherweise sehr geholfen, nachdem sie ebenso freundlicherweise von mir darum gebeten wurden :-)

Die Konfis wirkten dann ein bisschen im Gottesdienst mit, ebenso wie einige Musiker des obersten Pariser Konservatoriums, die eine sehr hörenswerte Bachkantate erklingen ließen. Kirchencafé, Waffeln, noch mehr Musik, aufräumen, dann war auch dieses Wochenende geschafft!


Die folgende Woche war relativ normal, mit einer Ausnahme: aus näherkommendem Anlass (mehr dazu im Bericht zum Dezember) sollte ich mit den Au Pairs Plätzchen backen, und zwar massenhaft, was mir mit 16 Stunden meinen bisher längsten Arbeitstag bescherte! Vormittags für Einkäufe durch halb Paris (weil für bestimmte Sorten bestimmte Zutaten gebraucht wurden, die nur bestimmte Supermärkte verkaufen, bzw. verkaufen sollten, woraufhin ich bei anderen bestimmten Supermärkten schauen musste und irgendwann doch noch endlich alles beisammen hatte), nachmittags Aufbauen im Saal und Zubereitung der Teige (dabei half mir dankenswerterweise eine der Au Pairs, die schon am Nachmittag kommen konnte) und schließlich abends das eigentliche Backen. Das war aber echt schön, zu Weihnachtsliedern in netter Runde Plätzchen ausstechen, Teig essen, Plätzchen in den Ofen schieben, Teig essen, einen kleinen Nervenzusammenbruch erleiden, nachdem die erste Ladung halb verbrannt war (das ist aber auch echt kompliziert mit einem Gasofen, wo nur von unten Hitze kommt, mimimi), zur Beruhigung Teig essen, erfreut feststellen, dass ich mit jeder Ofenladung ein besseres Gespür für den Ofen bekam und die Plätzchen immer optimaler wurden, Teig essen, fertige Plätzchen essen, manche Sorten weiter bearbeiten (und essen), außerdem Punsch machen und trinken (orientiert an dem Rezept von Jacques für St. Martin, aber etwas verfeinert und mit Schuss). Also alles in allem ein sehr guter Abend, herzlichen Dank an alle Mädchen und Jungs, die da sehr fleißig mitgeholfen haben!

Schließlich hatten wir mehrere Kisten voll mit knusprigem Buttergebäck, zarten Vanillekipferln und himmlischen Zimtsternen.

Und mir war schlecht. (Ãœberraschung)

Aber der Teig war so gut...


Und, man glaubt es kaum, das Wochenende danach hatte ich frei! F-R-E-I !!!!


Was auch bitter nötig war, denn mit Vollgas ging es auf Weihnachten zu, und vor Weihnachten ist bekanntlich Advent, und im Advent gibt es bekanntlich sehr viel zu tun. Also eigentlich alles so wie immer.


MIMIMIMIMIMIMI.



Fortsetzung folgt.




Ebenso ein paar Bilder:

Paris (Seine & Notre-Dame), die Diskussionsrunde mit den Au Pairs samt Ergebnissen, der interreligiöse Altar für das Friedensgebet, St. Martin und Punsch, Bootsfahrt auf der Seine, spielen und kochen mit den Konfis, der Obelisk auf der Place de la Concorde mit Sonne, Plätzchenbacken mit den Au Pairs und eine rot erleuchtete Sacré-Coeur.


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